Weihnachten: Zeit der Geschenke. Nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im beruflichen Umfeld gehört es zu den üblichen Gepflogenheiten, Aufmerksamkeiten an gute Kollegen und wichtige Kunden zu verteilen.
Doch sollten Ärzte dabei äußerst vorsichtig sein.
Der Fall
Ein pharmazeutisches Unternehmen, das unter Anderem verschreibungsfreie Arzneimittel gegen Erkältungen produziert, die nur über Apotheken abgegeben werden dürfen, gab an Apotheker in ganz Deutschland ungefragt ein kostenloses Probepaket mit sechs Arzneimitteln gegen Erkältungsbeschwerden ab. Der Deckel des Produktkoffers war beschriftet mit folgender Werbung: „Unsere 6 gegen Erkältung – Eine gesunde Herbst- und Winterzeit wünschen die 6 richtigen von X“. Der mittlere Verkaufspreis aller Arzneimittel zusammen betrug knapp 50 €.
Das missfiel einem konkurrierenden pharmazeutischen Unternehmen, das ebenfalls verschreibungsfreie Arzneimittel gegen Erkältungen produziert, die nur über Apotheken abgegeben werden dürfen. Es verlangte, die kostenlose Abgabe des Produktkoffers zu unterlassen.
Das sagten die Gerichte
Die Klage auf Unterlassung war in zwei Instanzen und damit rechtskräftig erfolgreich. Das Verschenken des Produktkoffers wurde sowohl vom Landgericht Stuttgart als auch vom Oberlandesgericht Stuttgart als unzulässig angesehen.
Grundlage ist vor allem eine Vorschrift im HWG (Heilmittelwerbegesetz). § 7 Absatz 1 Satz 1 HWG regelt:
„Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich bei den Zuwendungen oder Werbegaben um Gegenstände von geringem Wert […] oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt; Zuwendungen oder Werbegaben sind für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten […]“
Durch die unentgeltliche Abgabe der sechs Arzneimittel im Paket wurde die Geringwertigkeitsgrenze deutlich überschritten – so das Landgericht Stuttgart kurz und bündig.
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat diese Einschätzung des Landgerichts Stuttgart bestätigt und zusätzlich ausgeführt:
“Der Begriff der Werbegabe erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes oder mehrere konkrete Heilmittel gewährt wird. Mit der Norm des § 7 HWG) sind grundsätzlich alle (über eine Geringwertigkeitsschwelle hinausgehenden) finanziellen oder materiellen Vorteile verboten, denen keine anerkannte Gegenleistung gegenüber steht. […] Eine kostenlose Abgabe erfüllt auch die weitere Anforderung an eine Werbegabe im Sinne von § 7 HWG, dass von ihr eine abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten ausgeht. […]
Die abstrakte Gefahr der unsachlichen Beeinflussung besteht darin, dass der Apotheker die Arzneimittel selbst nutzen kann und dazu verleitet sein kann, bei der Kundenberatung das Produkt der Beklagten besonders hervorzuheben. Dies ist auch das erkennbare Ziel der Werbemaßnahme. […] Für Zuwendungen an den Verbraucher hat der Bundesgerichtshof eine Wertgrenze von 1,00 € definiert. Die Wertgrenze von 1,00 € gilt in gleicher Weise für die Angehörigen der Fachkreise. Die Wertgrenze von 1,00 € beansprucht demnach allgemeine Gültigkeit. Als geringwertige Kleinigkeiten (die kostenlos abgegeben werden dürften) sind daher nur kleine Zugaben anzusehen, die sich als Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit darstellen, z.B. Bonbons, Luftballons und Taschentücher. Mit Logos bedruckte Kleinartikel, wie Kugelschreiber, Notizblöcke oder Streichhölzer stellen ebenfalls lediglich Werbeträger dar, von denen regelmäßig über die schlichte Werbebotschaft hinaus keine unsachliche Beeinflussung ausgeht.
Es gebe keinen Grund, bei Angehörigen der Fachkreise einen weniger strengen Maßstab anzulegen wie bei Verbrauchern. Nach psychologischen Erkenntnissen entsprechend der sozialen Reziprozitätsregel ist bei einer kostenlosen Leistung oft zu erwarten, dass sich der Empfänger in irgendeiner Weise erkenntlich zeigen wird. Dies kann im vorliegenden Fall dazu führen, dass der umworbene Apotheker einem Kunden die Produkte der Beklagten empfiehlt, was auch das erkennbare Ziel der Werbemaßnahme war. Genau hierin besteht eine unsachliche Beeinflussung, die durch das Gesetz verhindert werden soll. Schließlich kann aus dem Kodex über die freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie (FSA-Kodex) – insbesondere der jüngeren Verschärfung – als Indiz entnommen werden, dass die Wertgrenze äußerst niedrig anzusetzen ist. Der Wert des Arzneimittel-Pakets stellt jedenfalls keinen Ausdruck allgemeiner Kundenfreundlichkeit mehr dar. Er bewegt sich nicht im sozialadäquaten Bereich.“
Die Konsequenz für Ärzte
Auch wenn sich das Urteil mit einer Werbegabe an Apotheker beschäftigt, ist es doch ohne Weiteres – das zeigt die Urteilsbegründung – auf Ärzte übertragbar. Äußerste Vorsicht ist deshalb geboten, wenn Ärzte Geschenke im Wert von mehr als 1,00 € annehmen; erst Recht, wenn Ärzte teurere Geschenke selbst verteilen.
Im Unterschied zu Apothekern ist es Ärzten aufgrund einer Regelung im Arzneimittelgesetz zwar erlaubt, Muster von Fertigarzneimitteln anzunehmen (die dann auch die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten dürfen). Dies gilt jedoch nur innerhalb der engen Grenze, dass der Arzt das Arzneimittelmuster beim pharmazeutischen Unternehmer zuvor jeweils schriftlich oder elektronisch angefordert hat. Der pharmazeutische Unternehmer darf auf eine solche Anforderung hin das Arzneimittelmuster nur in der kleinsten Packungsgröße abgeben. Außerdem dürfen innerhalb von einem Jahr nicht mehr als zwei Muster abgegeben werden. Über die Empfänger von Mustern sowie über Art, Umfang und Zeitpunkt der Abgabe der Muster sind im Übrigen entsprechende Nachweise zu führen. Das kann auch behördlich überprüft werden.
Steuerliche Grenzen können irrelevant sein
Zu beachten ist vor allem, dass die steuerlichen Obergrenzen für Geschenke an Kunden, Geschäftspartner etc. speziell im Gesundheitswesen vollkommen irrelevant sein können.
Mirja Trautmann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
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