Zu Gast in unserer Interviewreihe die Geschäftsführerin der PädNetz Akadmie. Das Interview führte Susanne Schöninger-Simon.
Marie-Sophie Bendig
Marie-Sophie Bendig ist angestellte Fächärztin für Kinder- und Jugendmedizin in Freiburg, Geschäftsführerin der PädNetz Akademie und stellvertretende Obfrau des BVKJ für den Bereich Südbaden.
S.Sch: Frau Bendig, Klinik oder Praxis – war das für Sie eine schwierige Entscheidung?
Nein, letztendlich nicht. Im Anschluss an mein Medizinstudium in Tübingen habe ich direkt mit meiner Weiterbildung im St. Josefskrankenhaus in Freiburg begonnen, ließ mich dort jedoch nach vier Jahren für ein halbes Jahr freistellen, um eine längere Reise zu machen. Nach meiner Rückkehr hat es mit der zuvor geplanten Rotation in die Uniklinik aus Personalgründen nicht geklappt, spontan tat sich aber eine Stelle in einer Kinder- und Jugendarztpraxis in Freiburg auf. So kam es, dass ich mein letztes Weiterbildungsjahr im ambulanten Weiterbildungssektor absolviert habe. Die Arbeit dort hat mir so gut gefallen, die engere Bindung zu den Patient:innen, auch dass die Familien dauerhaft begleitet werden, dass ich mich entschied, weiterhin in der Praxis tätig sein zu wollen. Nach meiner Facharztprüfung wurde ich von meiner Weiterbildungs-Praxis übernommen und arbeite nun seit 2019 als Fachärztin in Anstellung.
Wie kam der Kontakt zur PädNetz Akademie zustande?
Roland Fressle und Klaus Deichmann, die beide maßgeblich an der Gründung der Akademie beteiligt waren, kannte ich aus der Freiburger Kollegenschaft. Als Klaus Deichmann das Amt des Geschäftsführers abgeben wollte, hat man mich angesprochen. Zu diesem Zeitpunkt ließ es sich gut mit meiner Praxistätigkeit vereinbaren und so habe ich diese zusätzliche Aufgabe im Dezember 2021 übernommen.
Es ist mir unglaublich wichtig, an der Verbesserung der Weiterbildung in der ambulanten Pädiatrie mitzuwirken! Vor der Akademiegründung gab es in Baden-Württemberg ja überhaupt kein strukturiertes Seminarprogramm für die Weiterbildung in Kinder- und Jugendarztpraxen. Und mit jungen Kolleg:innen aus ganz Baden-Württemberg in Kontakt zu kommen, bereitet mir unglaublich viel Freude!
Welches sind Ihre konkreten Aufgaben in der Akademie?
Die Akademie bietet ein Weiterbildungscurriculum in Form von Online-Seminaren und einigen Präsenzterminen an, in denen die wesentlichen Inhalte der ambulanten Pädiatrie vorgestellt und besprochen werden. Ich gestalte den Seminarkalender, kommuniziere mit den Referent:innen und nehme als Moderatorin an den Seminaren teil. Eines unserer Anliegen ist es außerdem, Ärzt:innen in Elternzeit, zu aktivieren, wieder in den Beruf zurückzukehren. Die Akademie mit ihrem Seminarangebot kann dazu beitragen, dass sich diese Kolleg:innen gestärkt fühlen und nicht das Gefühl haben, den Anschluss zu verlieren, wenn sie vielleicht sogar mehrere Jahre aus dem Beruf sind, dass sie wieder Lust und Motivation haben, zurückzukommen. Und natürlich bin ich für den wirtschaftlichen Teil der PädNetz Akademie zuständig.
Die Gründung der PädNetz Akademie entstand aus einer Initiative der berufspolitisch engagierten PädNetzS eG und PädNetz Südbaden e.V.. Wann begann Ihr Einstieg in die Berufspolitik?
Das war erst, als ich im ambulanten Bereich arbeitete und dort Kontakt zu anderen Kolleg:innen geknüpft hatte, die berufspolitisch engagiert waren. Ich sah, dass sie etwas bewegen konnten und hatte das Gefühl, dass ich da mitarbeiten wollte.
Der Frauenanteil im Vorstand von PädNetzS oder etwa unter den Delegierten des BVKJ, legt nahe, dass Frauen in berufspolitischen Funktionen in der Minderzahl sind. Warum engagieren sich Frauen hier weniger?
Ich vermute, dass hier mehrere Aspekte eine Rolle spielen. Was wir auf jeden Fall sehen, ist, dass es zukünftig einen generellen Wandel in der niedergelassenen Pädiatrie geben wird, die Mehrheit wird weiblich sein. Das lässt sich sehr deutlich an den Zahlen der Weiterzubildenden erkennen. Von den 38 Abonnent:innen der PädNetz Akademie im zweiten Halbjahr 2024 sind vier männlich. Es wäre wichtig, wenn sich die Stimme der Kolleginnen in den berufspolitischen Gremien stärker wiederfinden würde. Aktuell ist es jedoch noch so, dass die Praxisinhaber größtenteils männlich sind und ich habe den Eindruck, dass viele junge Ärztinnen und auch Ärzte denken, dass sie nur eine Stimme repräsentieren können, wenn sie Praxisinhaberin oder – inhaber sind. Ich würde dem allerdings vehement widersprechen. Für unsere politische Arbeit ist es wichtig, dass wir ein möglichst breites Spektrum unserer Berufsgruppe vertreten. Daher ist es absolut wertvoll, die Ansichten von Fachärzt:innen in Anstellung zu hören und auch die von Kolleg:innen in Weiterbildung.
Frauen mit Familie im Beruf sind auch heute noch einer stärkeren Doppelbelastung ausgesetzt.
Es gab früher definitiv häufiger die Situation, dass die Praxisinhaber durch eine Lebenspartnerin unterstützt wurden, die sich primär um Haushalt und Familie gekümmert hat. Heute ist es meist so, dass die vielen Ärzt:innen in der Pädiatrie gemeinsam mit ihrem ebenfalls berufstätigen Partner die Familie managen. Sich darüber hinaus noch berufspolitisch zu engagieren, was ja hauptsächlich in der Freizeit geschieht, ist für viele daher schwerer vorstellbar.
Sind dann für die Ärztinnen in der ambulanten Pädiatrie andere Arbeitsmodelle interessant und muss die Berufspolitik darauf reagieren?
Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Umfrage, die ich 2023 gemeinsam mit anderen berufspolitisch engagierten Kolleg;innen unter Weiterzubildenden durchgeführt habe, die in dieser Zeit im ambulanten Bereich tätig waren. Wir haben nach den wesentlichen Faktoren für die Arbeitsplatzwahl gefragt. In den Antworten hatten die Arbeitszeiten und das Ausmaß der Arbeitsbelastung den höchsten Stellenwert, neben Kriterien wie eine gute Arbeitsatmosphäre und eben auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das zeigt, dass das für die kommende Generation der Kinder- und Jugendärzt:innen wichtige Aspekte sind, und es müssen bereits heute die Weichen für Veränderungen gelegt werden, wenn man will, dass diese Kolleginnen und Kollegen später auch im Job sind und eine Praxis übernehmen möchten.
Das wäre doch eigentlich ein Motiv für Weiterzubildende, sich zu engagieren.
Ja, wir würden uns daher wirklich freuen, wenn sich noch mehr junger Nachwuchs an der berufspolitischen Arbeit beteiligen würde, junge Kolleg:innen, die nicht oder noch nicht in der Selbständigkeit sind. Ich möchte hier unbedingt Mut machen, falls Kolleg:innen Interesse haben, in den beiden PädNetzen, im Rahmen des BVKJ oder in der Jungen Pädiatrie mitzuarbeiten, keine Scheu davor zu haben, einfach einmal rein zu schnuppern.
Was ist das Ziel der Jungen Pädiatrie?
Die Junge Pädiatrie Baden-Württemberg hat sich Anfang 2023 als Arbeitsgemeinschaft gegründet. Der Impuls kam von Ärzt:innen in der Klinik aus Freiburg und Ulm, als es im Winter 2022 zu Versorgungsengpässen in den Krankenhäusern kam. Dann sind auch Fachleute aus dem ambulanten Sektor hinzugekommen. Das Besondere ist, dass wir eine interdisziplinäre Gruppe sind, in der sich Pflegende, MFA, Ärztinnen und Studierende zusammen engagieren, mit dem Ziel, die Strukturen in der Pädiatrie in allen Bereichen dauerhaft zu verbessern. Wir erarbeiten gemeinsam Lösungsansätze und Vorschläge. Im Juli 2023 haben wir am Fachsymposium für Kinder- und Jugendgesundheit teilgenommen und arbeiten auch weiterhin in dieser sektorenübergreifenden Zusammensetzung.
Woher bezieht die Junge Pädiatrie ihre finanziellen Mittel?
Wir werden durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration unterstützt und aus Landesmitteln, die der Landtag von Baden-Württemberg beschlossen hat, gefördert.
Sie selbst arbeiten als angestellte Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, haben die Geschäftsführung der PädNetz Akademie inne, sind stellvertretende Obfrau des BVKJ für den Bereich Südbaden und außerdem in der jungen Pädiatrie aktiv, die sie mitgegründet haben. Und Sie haben eine Familie mit zwei Kindern im Alter von zwei und vier Jahren. Wie gelingt es Ihnen, diese vielen unterschiedlichen Aufgaben zu bewältigen?
Ich habe das Glück, dass mein Mann und ich uns die familiäre Verantwortung teilen. Bei beiden Kindern hat er etwa die Hälfte der Elternzeit genommen, so dass ich wieder in den Beruf zurückkehren konnte. Sicherlich hätte ich manchmal gerne mehr Zeit für einzelne Aufgaben und es kommt auch vor, dass ich bis in die späten Abendstunden hinein noch an etwas sitze. Aber ich freue mich auf der anderen Seite, dass ich dazu beitragen kann, Dinge zu verbessern und für junge Kolleginnen und Kollegen bessere Umstände zu schaffen!
Und wie entspannen Sie?
Ich reise sehr gern. Bei unserem zweiten Kind hatten mein Mann und ich die Möglichkeit, eine längere Elternzeitreise nach Südafrika zu machen, die wir sehr genossen haben. Während meiner Studienzeit habe ich auch einen Teil meiner Famulaturen im Ausland absolvieren können, in Kenia, Indien und Peru. Und seit kurzem habe ich mit Mountainbiken begonnen, was tatsächlich ein sehr schöner sportlicher Ausgleich zum Praxisalltag in der Natur ist!