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Genossenschaft der fachärztlichen Versorgung
von Kindern und Jugendlichen

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2/2024

Rechtsfragen

Flüchtlinge in der Arztpraxis

Es wurde schon viel darüber geschrieben: Aber auch nach Jahren sind viele Fragen offen, wie mit Flüchtlingen in der Arztpraxis umzugehen ist.

Infektionsgefahr

Bedingt durch die schlechtere medizinische Versorgung in den Heimatländern, aber auch bedingt durch die jeweiligen Reisewege, gelangen immer mehr Flüchtlinge mit Infekten hierher. Daher tauchen auch in den Arztpraxen immer mehr behandlungsbedürftige Flüchtlinge auf.
Angefangen von eher harmlosen Atemwegs- und Magen-Darm-Infekten bis hin zu für unsere Region untypischen Infektionen oder gar „besiegten“ Krankheiten ist eine breite Palette geboten.
Geht es nach den zuständigen Behörden, so soll meist die Kombination aus einem ausreichenden eigenen Impfschutz und der Einhaltung grundsätzlicher Hygienemaßnahmen genügen, um die Übertragung von Krankheiten und Parasiten zu vermeiden. Das heißt:

regelmäßiges (richtiges) Händewaschen
Abstandhalten bei Gesprächen
Verzicht auf Händeschütteln
ggf. Tragen von Schutzhandschuhen und Mundschutz
regelmäßiges Lüften der Räume bzw. Reinigung häufig
berührter Flächen.

Medizinischer Leistungsumfang

Der Leistungsanspruch für Asylbewerber ist eingeschränkt. Der Leistungsanspruch ergibt sich vorrangig aus dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Flüchtlinge haben nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Zusätzlich sind werdenden Müttern und Wöchnerinnen ärztliche sowie pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.
Auch die Behandlung chronischer Krankheitsverläufe (z.B. Diabetes) kann als akut gelten, soweit diese aus ärztlicher Sicht erforderlich ist. Bei Notwendigkeit umfasst dies auch die Überweisung zu Fachärzten.
Des Weiteren sind insbesondere bei Kindern Vorsorgeuntersuchungen und Standard-Schutzimpfungen möglich. Bei Erwachsenen sind es die Schutzimpfungen gemäß STIKO- Empfehlung.
Achtung:
Psychotherapien bedürfen ebenso wie Heilmittel (Ausnahme: Schwangere und Wöchnerinnen) einer vorherigen Genehmigung durch die zuständige „Asylstelle“.
Ausnahme:
Registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine haben von Beginn an „Zugang“ zum GKV-Leistungskatalog – auch bei psychotherapeutischen Leistungen.

Haftung – Aufklärung

Bei der Versorgung von Flüchtlingen in der Arztpraxis gelten haftungsrechtlich keine Besonderheiten. Denn auch diese Behandlung findet ja im Rahmen der regulären Praxistätigkeit statt. Daher muss der Berufshaftpflichtversicherer nicht extra darüber informiert werden, dass in der Praxis jetzt auch Flüchtlinge versorgt werden (sollen).
Allerdings:
Im Rahmen der Aufklärung ist es allein Sache des behandelnden Arztes, dafür Sorge zu tragen, dass ihn der Asylbewerber auch sprachlich versteht – was bei den meisten nicht der Fall sein dürfte. In Deutschland muss der Arzt sicherstellen (und nachweisen), dass er für den Patienten verständlich aufgeklärt hat. Sprachliche Schwierigkeiten gehen – anders als im europäischen Ausland – allein zu Lasten des Arztes und nicht des Patienten.
Auf die Probleme, die mit dieser Rechtsprechung zu tun haben, kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

Folge einer Leistungsausweitung aus ethischen Gründen?

Wegen des nur eingeschränkten Versorgungsanspruchs von Flüchtlingen wird vermehrt eine Leistungsausweitung aus ethischen Gründen gefordert.
Letztlich muss dies jeder Einzelne für sich selbst entscheiden. Rein rechtlich betrachtet spricht nichts dagegen, über die Basisversorgung hinaus weitere medizinisch notwendige Leistungen zu erbringen. Das geschieht dann allerdings im Zweifel auf Kosten des jeweiligen Arztes. Denn Anspruch auf Vergütung für solche „überobligationsmäßigen“ Maßnahmen hat er nicht.

Honorar

Jeder Flüchtling hat einen Behandlungsausweis (Krankenschein) vorzulegen. Diesen stellt die zuständige „Asylstelle“ aus.
Achtung: Der Behandlungsausweis kann Einschränkungen enthalten (z.B. einen Gültigkeitszeitraum). Diese Einschränkungen müssen beachtet werden, wenn der Arzt keinen Nachteil haben will.
Flüchtlinge erhalten in den ersten Monaten noch keine eigene Versichertenkarte (Gesundheitskarte). Deshalb geht an der Vorlage des Behandlungsscheins kein Weg vorbei. Dieser wiederum ermöglicht die Abrechnung über die KVBW.
Überweisungen können auf den üblichen Überweisungsformularen ausgestellt werden. Aber auch hier gilt Vorsicht: Sind auf dem Original-Behandlungsausweis Einschränkungen vermerkt, so müssen diese auf den Überweisungsschein unbedingt übertragen werden!

Fazit

Was sich auf dem Papier recht einfach und überschaubar liest, sieht in der Realität komplizierter aus. Denn durch die große Zahl an Flüchtlingen sind die Behörden mit der Ausstellung von Behandlungsausweisen oft im Verzug. Das wiederum gefährdet die medizinische Versorgung. Und ohne Behandlungsausweis hat der Arzt keine bzw. nur geringe Aussicht darauf, ein Honorar für seine Leistungen zu erhalten.
Da die Behandlungskosten in diesem Bereich sicher ansteigen werden (zumal die Abrechnung ohne Budgetbeschränkung erfolgt), ist auch der zukünftige Streit darüber vorprogrammiert, ob eine Leistung noch zur Basisversorgung gehört hat oder bereits darüber hinaus ging. Es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung weitergeht.

Mirja Trautmann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht

Sebastian Marschall
Gepr. Rechtsfachwirt

 

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