Genossenschaft der fachärztlichen Versorgung
von Kindern und Jugendlichen

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2/2024

Die Begrenzung der Weiterbildungsstellen in der ambulanten Kinder- und Jugendmedizin verschärft den Versorgungsengpass für Kinder und Jugendliche im Jahr 2024 ff

Frust statt Lust bei den Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten

Die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte fordern die komplette Gleichbehandlung des Fachgebietes Kinder- und Jugendmedizin mit dem Fachgebiet Allgemeinmedizin in der Weiterbildungsförderung (nach § 75a Sozialgesetzbuch V = SGBV).
Beide Fachgebiete gehören zur hausärztlichen Versorgung (§ 73 1a SGBV) und haben ein gravierendes Nachwuchsproblem. Um den ärztlichen Nachwuchs in den Praxen zu fördern, wurde in das SGBV eine Weiterbildungsförderung in der Vertragsarztpraxis aufgenommen (§ 75a SGBV).
Während die allgemeinmedizinische Weiterbildungsförderung bisher auf mindestens 7500 Vollzeitstellen festgeschrieben wurde -ohne Begrenzung der Stellen-, teilen sich die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte maximal 2000 Stellen mit weiteren grundversorgenden Facharztgruppen. Die für die Kinder- und Jugendmedizin vorgesehenen mindestens 250 Stellen bundesweit reichen bei weitem nicht aus, um den Weiterbildungsbedarf zu decken. Eigentlich geplante, geförderte Weiterbildungen zur Fachärztin und Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in den Arztpraxen können derzeit nicht umgesetzt werden, da die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Förderstellen ausgeschöpft sind. Zahlreiche Anträge auf eine Weiterbildungsförderung in der ambulanten Pädiatrie wurden von der KV Baden-Württemberg für 2024 ff abgelehnt. Dagegen wurden alle Förderanträge für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin genehmigt.
Die Gleichbehandlung der Hausärztinnen und -ärzte aus dem Bereich der Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendmedizin kann nur erreicht werden, wenn das SGBV §75a (1) und (9) ebenso geändert wird wie die Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGBV (vom 29.11.2022).

Änderungen des SGBV § 75a (1)

Bisher:
(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen sind zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung verpflichtet, die allgemeinmedizinische Weiterbildung in den Praxen zugelassener Ärzte und zugelassener medizinischer Versorgungszentren zu fördern. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen tragen die Kosten der Förderung für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin im ambulanten Bereich je zur Hälfte.

Nach der Änderung:
(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen sind zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung verpflichtet, die allgemeinmedizinische und kinder- und jugendmedizinische Weiterbildung in den Praxen zugelassener Ärzte und zugelassener medizinischer Versorgungszentren zu fördern. Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen tragen die Kosten der Förderung für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin und der Kinder- und Jugendmedizin im ambulanten Bereich je zur Hälfte.

Änderungen des SGBV § 75a (9)

Bisher:
(9) Die Absätze 1 und 4 bis 8 gelten für die Förderung der Weiterbildung in der ambulanten grundversorgenden fachärztlichen Versorgung nach Maßgabe der Vereinbarung nach Absatz 4 Satz 2 Nummer 5 entsprechend. Es sind bundesweit bis zu 2000 Weiterbildungsstellen, davon mindestens 250 Weiterbildungsstellen in der Kinder- und Jugendmedizin, zu fördern.

Nach der Änderung:
(9) Die Absätze 1 und 4 bis 8 gelten für die Förderung der Weiterbildung in der ambulanten grundversorgenden fachärztlichen Versorgung nach Maßgabe der Vereinbarung nach Absatz 4 Satz 2 Nummer 5 entsprechend. Es sind bundesweit bis zu 2000 Weiterbildungsstellen zu fördern. (die Kinder- und Jugendmedizin fällt hier raus, da sie schon in (1) gemeinsam mit der Allgemeinmedizin geregelt wird)

Die Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung gemäß § 75a SGB V (vom 29.11.2022) muss folgendermaßen ergänzt werden: die Kinder- und Jugendmedizin wird neben der Allgemeinmedizin gleichgestellt aufgeführt. Folgende Änderungen müssen vorgenommen werden:
§1 Vertragszweck
(1) Zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung wird die allgemeinmedizinische und kinder- und jugendmedizinische Weiterbildung in den Praxen niedergelassener Vertragsärzte und Vertragsärztinnen und … gefördert.
§2 Förderung der allgemeinmedizinischen und kinder- und jugendmedizinischen Facharztweiterbildung
(1) Die Anzahl der von den Kostenträgern zu fördernden allgemeinmedizinischen und kinder- und jugendmedizinischen Weiterbildungsstellen … beträgt insgesamt 7500 Stellen pro Jahr … Stellenbegrenzungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht zulässig.
(5) Die maximale Förderung der allgemeinmedizinischen Facharztweiterbildung und kinder- und jugendmedizinischen Facharztweiterbildung richtet sich nach den Vorgaben der jeweiligen Weiterbildungsordnung …
(6) Die Förderung der allgemeinmedizinischen und kinder- und jugendmedizinischen Facharztweiterbildung soll insbesondere eine kontinuierliche und zügige Weiterbildung unterstützen.
§3 Förderung weiterer fachärztlicher Weiterbildungen
(1) Hier werden die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte gestrichen, da sie schon in §1 und §2 aufgenommen wurden.

Begründung

Für die Förderung der Allgemeinmedizin sollen nach dem Sozialgesetzbuch V (§ 75a SGBV) bundesweit mindestens 7500 Stellen finanziert werden. Die Kosten sind zu gleichen Teilen von der kassenärztlichen Vereinigung und der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen, einen weiteren Beitrag leistet die Landeskrankenhausgesellschaft. Die Kinder- und Jugendmedizin wird bislang den grundversorgenden Fachärzten zugeordnet, für die bislang lediglich 2000 Weiterbildungsstellen (Vollzeitäquivalente) bundesweit gefördert werden. Während die 7500 Stellen für die Allgemeinmedizin bei weitem nicht ausgeschöpft sind, sind die Fördergelder für die sogenannten „grundversorgenden Fachärzte“ und damit bisher auch für die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte komplett ausgeschöpft. Das bedeutet konkret für Baden-Württemberg, dass viele Förderanträge für die Weiterbildung von Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten abgelehnt werden müssen. Das bremst die dringend erforderliche Weiterbildung in den kinder- und jugendmedizinischen Praxen zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung von Kindern und Jugendlichen aus.
Die Konsequenz daraus ist, dass nicht genügend Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte zur Verfügung stehen, um freiwerdende kinder- und jugendmedizinische Praxen nachzubesetzen. Diese Entwicklung ist besonders gravierend im ländlichen Bereich, hat aber auch mittelgroße Städte und auch großstädtische Ballungsräume erreicht. Es fehlen die Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte vor Ort. Deshalb ist eine uneingeschränkte Anzahl der Förderstellen für Kinder- und Jugendmedizin in den Vertragsarztpraxen eine unverzichtbare Voraussetzung für den Fortbestand der hausärztlichen kinder- und jugendmedizinischen Versorgung.
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg wäre bereit, mehr Förderstellen für die Weiterbildung in der Kinder- und Jugendmedizin auszuweisen, wenn auf Bundesebene die nötige gesetzliche Grundlage geschaffen würde (siehe oben).

Literatur

§ 73 Kassenärztliche Versorgung, Verordnungsermächtigung
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__73.html
§ 75a SGBV – Förderung der Weiterbildung
https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/75a.html
Vereinbarung zur Förderung der Weiterbildung:
https://www.kbv.de/media/sp/Foerderung_Allgemeinmedizin.pdf
https://www.kbv.de/html/themen_2861.php
https://www.aerztekammer-berlin.de/10arzt/15_Weiterbildung/12WB-Informationen/Befugniskriterien/index.shtml#Facharzt-Weiterbildungen
Berberat PO, Harendza S, Kadmon M; Gesellschaft für Medizinische Ausbildung, GMA-Ausschuss für Weiterbildung. Entrustable Professional Activities – Visualization of Competencies in Postgraduate Training. Position Paper of the Committee on Postgraduate Medical Training of the German Society for Medical Education (GMA). GMS Z Med Ausbild. 2013;30(4):Doc47
https://www.bmbf.de/de/masterplan-medizinstudium-2020-4024.html
Huenges B, Gulich M, Böhme K, Fehr F, Streitlein-Böhme I, Rüttermann V, Baum E, Niebling WB, Rusche H. Empfehlungen zur Ausbildung im primärversorgenden Bereich – Positionspapier des GMA-Ausschuss Primärversorgung. GMS Z Med Ausbild. 2014;31(3): Doc35

Dr. med. Folkert Fehr
Dr. med. Thomas Kauth

Ergänzende Information (T. Kauth)

Finanzieller Aufwand der Weiterbildungsförderung für die kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg
in 2023 (Haushalt 2023):

Für die Weiterbildungsförderung im Jahr 2023 hat die kassenärztliche Vereinigung BW ca. 70.350.000 € (70 Mio. €) ausgegeben. An diesen Kosten beteiligen sich die Krankenkassen zu 50 %, also mit ca. 35.175.000 (35 Mio. €).
Damit hat die KV BW ca. 1086 Vollzeitäquivalente (VZÄ= 5.400 €/Monat) im Jahr 2023 gefördert, davon ca. 267 im fachärztlichen Bereich (davon 57,56 in der Kinder- und Jugendmedizin).
Ca. 819 Stellen VZÄ wurden in der Allgemeinmedizin gefördert (75 % aller geförderten Stellen = 1086).
Jede Vertragsärztin und -arzt bzw. Vertragspsychotherapeutin und -therapeut (insgesamt ca. 22.000) hat sich in 2023 mit durchschnittlich 1.600 € über den Verwaltungsbeitrag an die KV BW an der Weiterbildungsförderung finanziell beteiligt.
Wird die Weiterbildung in der Kinder- und Jugendmedizin ab 2024 unbegrenzt gefördert, so entsteht ein zusätzlicher jährlicher finanzieller Aufwand von ca. 25 VZÄ, das heißt im Vergleich zu 2023 also ca. 1.6 Mio € (davon 0.8 Mio € durch die KK und 0.8 Mio € durch die KV BW und umgerechnet 36 € pro Mitglied der KV BW pro Jahr).