Genossenschaft der fachärztlichen Versorgung
von Kindern und Jugendlichen

5/2025

Schnittstellentreffen

Öffentlicher Gesundheitsdienst und Praxispädiatrie

Am 14.11.2025 fand das 11. Schnittstellentreffen der PädNetzS eG statt, bei dem Vertreter:innen des 
Öffentlichen Gesundheitsdiensts (ÖGD) und niedergelassene Pädiater:innen online zusammenkamen, um gemeinsame Themen zu besprechen.


STARKIDS (Stufenmodell Adipositasprävention und -therapie im Kindes- und Jugendalter)

Dr. Katrin Ziser, psychologische Psychotherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum Tübingen, stellte das Programm STARKIDS vor, das von einem multiprofessionellen Team durchgeführt und in einer fast fünfjährigen Studie evaluiert worden ist. 71 Kinder- und Jugendarztpraxen und 25 Gesundheitsämter nahmen an der Studie teil.

Das zweistufige Programm STARKIDS ist niederschwellig angelegt. Kinder und Jugendliche, die von Übergewicht betroffen sind oder an Adipositas leiden, sowie deren Familien können in ihrer jeweiligen Kinder- und Jugendarztpraxis daran teilnehmen. Im ersten Jahr (Stufe 1) lernen die Familien durch speziell ausgebildete medizinische Fachangestellte in einem Schulungsprogramm aus 5 Modulen (STARKIDS Start/Essen & Trinken/Bewegung & Medien/Familien­leben/Dranbleiben) den Zusammenhang von Lebensweise und Gewichtsentwicklung kennen. Unter Betrachtung der individuellen Situation der Kinder und Jugendlichen werden realistische Ziele hin zu einer gesunden Ernährungs- und Lebensweise entwickelt. Ein begleitendes Onlineportal unterstützt die Patient:innen dabei, diese Ziele im Alltag zu verankern. Sollte es dennoch Schwierigkeiten bei der Umsetzung geben, kann noch ein zusätzlicher Termin (Joker) als 6. Modul in Anspruch genommen werden.
Besteht im Anschluss von Stufe 1 weiterhin Therapiebedarf, sieht Stufe 2 des Programms während eines sechsmonatigen Zeitraums weitere Hilfen über die Gesundheitsämter vor.

Die Auswertung der Studie ergab, dass die Interventionsgruppe im Hinblick auf Gewichtsverlauf sowie die Verbesserung der Lebensqualität, deutlich besser abschnitt als die Vergleichsgruppe. Eine Ausnahme bilden von schwerer Adipositas betroffene Kinder und Jugendliche, allerdings war die teilnehmende Gruppe hier klein. Dennoch müssten für diese Patient:innen andere intensiver begleitende Programme entwickelt werden.

Ziel der Studie ist die Etablierung eines niederschwelligen und bedarfsgerechten Versorgungsangebots innerhalb der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen, um Kinder und Jugendliche bei einer gesunden Gewichtsentwicklung zu unterstützen und dadurch zugleich das Risiko für körperliche und seelische Begleit- und Folgeerkrankungen zu senken. Einige Stränge der Studie werden nun weiterverfolgt.


Weiterbildung im ÖGD

Die Weiterbildung in der ambulanten Kinder- und Jugendpädiatrie gehört seit langem zu den Schwerpunktthemen der PädNetzS eG. Wie sind die Erfahrungen im Weiterbildungssektor des öffentlichen Gesundheitsdiensts? Fünf der 38 Gesundheitsämter in Baden-Württemberg verfügen momentan über eine Weiterbildungsbefugnis: Stuttgart, Karlsruhe, Tübingen, Heidelberg und Waiblingen.


Dr. Tobias Bischof vom Gesundheitsamt Stuttgart berichtete, dass dort aktuell drei Weiterbildungsassistent:innen beschäftigt sind. Die Arbeitsbereiche umfassen u.a.

  • Einschulungsuntersuchungen
  • Schul- und Kitaberatung, u.a. bei Infektionserkrankungen
  • Ärztlicher Dienst für chronisch kranke Kinder
  • Behinderung und Inklusion
  • Gutachtenerstellung
  • Kinderschutz

Die Weiterbildungsbefugnis des Gesundheitsamts Stuttgart beträgt momentan 18, anstatt der sonst üblichen 12 Monate. Ein Weiterbildungsverbund mit Kliniken oder Praxen existiert nicht.

Eine Besonderheit des Stuttgarter Standorts sind die beiden Teams aus zehn Familienkrankenschwestern und vier Standorten mit Schulkrankenschwestern. Diese gibt es in Baden-Württemberg noch nicht flächendeckend.

Im Gesundheitsamt Karlsruhe, das mit einem breiten Leistungsspektrum und einem großen Anteil an ärztlichen Angestellten, darunter auch sechs Kinder- und Jugendärzt:innen, gut aufgestellt ist, gingen bisher noch keine Bewerbungen von Weiterzubildenden ein, so Helena Maier vom KJGD Karlsruhe.

Dr. Martina Benzing (Gesundheitsamt Tübingen, ÖGD Vertreterin des KJGD im bvkj) ergänzte, dass auch die Gesundheitsämter Tübingen und Heidelberg aktuell keine Weiterzubildenden in der Pädiatrie haben.

Dr. Birgit Kröner vom Gesundheitsamt Waiblingen teilte mit, dass dort eine Ärztin in Weiterbildung auf 50% Basis angestellt ist.
In ihren Aufgabenbereich fallen:

  • Einschulungsuntersuchungen und Elternberatung
  • Gutachtenerstellung für die Eingliederungshilfe im 
vorschulischen und schulischen Bereich
  • Teilnahme an interdisziplinären Fallkonferenzen (Gesundheitsamt, Sozialamt, Frühberatung)
  • Schulfähigkeitsgutachten

Konsens bestand darin, dass eine Ausdehnung von Weiterbildungsbefugnissen im ÖGD wünschenswert ist. Insbesondere im ländlichen Raum stehen zu wenig Weiterbildungsplätze im Bereich der ambulanten Kinder- und Jugendmedizin zur Verfügung, weshalb interessierte Ärzt:innen nach ihrer Ausbildung auf andere Facharztqualifikationen ausweichen müssen. Dies wirkt sich wiederum auf die Landarztquote im Bereich Pädiatrie aus. Der ÖGD könnte hier ein weiterer Verbundpartner werden und ein Angebot an Weiterbildungsstellen schaffen. Im Moment werden die Weiterzubildenden in der Pädiatrie im ÖGD durch befristete Stellenanteile in Gesundheitsämtern besetzt. Sinnvoll wäre außerdem eine Übersicht über vorhandene, freie oder demnächst frei werdende Weiterbildungsstellen. Auch die Schaffung einer gemeinsamen Koordinierungsstelle wäre denkbar. Der ÖGD Stuttgart sowie die PädNetzS eG unterstützen die Idee der Verbundweiterbildung.

Abschließend weist PädNetzS Vorstand Folkert Fehr auf ein kostenloses Angebot der PädNetz Akademie hin, das auch für Assistenzärzt:innen im ÖGD interessant sein kann: ca. einmal pro Quartal findet über die Plattform der Akademie ein virtuelles Café für Ärzt:innen in Weiterbildung statt, in dem diese sich über den Verlauf ihrer Weiterbildung und die jeweiligen Herausforderungen austauschen können. Interessierte können sich an das Büro der PädNetz Akademie wenden: kontakt@paednetz-akademie.de /
www.paednetz-akademie.de

 

Versorgung an Schulen

ÖGD-Projekt in Stuttgart

Dr. Tobias Bischof stellte das Projekt Schulkrankenschwester vor, das das Gesundheitsamt Stuttgart vor vier Jahren zunächst auf drittmittelfinanzierter Basis an zwei großen Schulstandorten startete. Aufgrund der positiven Resonanz des Projekts konnte der Gemeinderat überzeugt werden, dass die Stellen dauerhaft durch die Stadt finanziert und auf vier Standorte mit 13 Schulen ausgeweitet werden. Die Schulkrankenschwestern arbeiten als Angestellte des Gesundheitsamts Stuttgart eng mit dessen Kinder- und Jugendärzt:innen und anderen Fachkräften zusammen und stehen in regelmäßigem Austausch miteinander. Durch Drittmittel wird das Projekt derzeit auf zwei weitere Schulstandorte erweitert.
Das Projekt trägt zum einen zu einer maßgeblichen Entlastung von Lehrerschaft, Schulsekretariat und Eltern bei und eröffnet andererseits die Möglichkeit, Themen der Gesundheitsförderung und Prävention in die Schulen zu bringen.
Die Anwesenden sind sich einig, dass es hierfür an Schulen einen großen Bedarf gibt und das Projekt landesweit etabliert werden sollte.

Einen ausführlichen Bericht zum Projekt und dem Aufgabenbereich der Schulkrankenschwestern finden Sie auf S. 14 in dieser Ausgabe der PädNetzS Info.


Notfallversorgung

Dr. Jan Berger stellte das patientenkonzentrierte Konzept des Kinder integrierten Notfallzentrums (KiNZ) der Kinder- und Jugendklinik Freiburg vor, das dort seit einem Jahr angewandt wird. Für alle in der Klinik ankommenden Notfallpatient:innen gibt es eine zentrale Anlaufstelle zur Ersteinschätzung. Nach Messung der Vitalzeichen und einer Triage nach ESI werden die Patient:innen dann entweder in die pädiatrische Notaufnahme der Klinik oder in die Notdienstpraxis der Niedergelassenen übermittelt. Dort erfolgt dann die weitere Diagnosestellung und Versorgung. Je nach Befund werden die Patient:innen der klinischen Notaufnahme in der Folge stationär aufgenommen oder entlassen.

Ziel des Konzepts ist, dass die Patient:innen schnell dem richtigen Sektor zugeordnet werden können. Wie viele Patient:innen initial als nicht dringlich eingestuft wurden und dennoch eine stationäre Aufnahme benötigten, ist derzeit noch nicht bekannt. „Wir erwarten diesen Anteil im niedrigen einstelligen Prozentbereich“, so Dr. Jan Berger. Die weiterführenden Auswertungen werden gemeinsam mit dem Datenintegrationszentrum erfolgen, auf deren Ergebnisse man mit großem Interesse blicke.

Das Konzept funktioniere gut, doch müsse eine größere Anzahl der Patient:innen, die sich im Notfallzentrum vorstelle, chirurgisch behandelt werden. Diese Patient:innen werden derzeit noch an das Notfallzentrum für Erwachsene verwiesen. Ein weiteres Ziel ist daher, kinderchirurgische Kolleg:innen ins KiNZ einzubinden.


Susanne Schöninger-Simon